Blended Learning - Neue Möglichkeiten in der Studentenausbildung

Seit Kurzem verwenden wir an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der LMU-München zur Unterstützung der studentischen Ausbildung eine E-Learning Plattform. Nachdem schon eine Reihe von Schlagworten ohne durchschlagenden Erfolg verschließen wurden (CBT, E-Learning etc.) ist das neue Schlagwort „blended learning“.

Blended-Learning ist eine didaktisch sinnvolle Verknüpfung von Präsenzveranstaltungen und virtuellem Lernen auf der Basis neuer „Informations- und Kommunikationsmedien“. Als zentraler Dreh- und Angelpunkt für diese neuen „Informations- und Kommunikationsmedien“ gilt in der Regel die Verwendung von Internet-Techniken zur Präsentation und Verwaltung dieser Medien. Software, mit der diese Aufgabe realisiert werden kann, bezeichnet man als Course Management Systeme. Neben der Bereitstellung von Lehrinhalten (z. B. Dokumente, Videos, Aufgabensammlungen etc.) kann man mit diesen Systemen auch die Studentenverwaltung, Kursorganisation und elektronische Prüfungen managen.

Course Management System Moodle

Nach einer kurzen Marktanalyse haben wir uns für das Open-Source Programm Moodle (modular object oriented dynamic learning environment) (www.moodle.org) entschieden (Alternativen z. B. OLAT, Stud.IP, ILIAS), das wir relativ einfach auf unseren eigenen Servern installieren konnten. Mit wenig Grundwissen war die Basisinstallation innerhalb von 30 min zu realisieren. Problematisch waren einige sicherheitsrelevante Details, wie z. B. der Emailversand von Moodle und die Verwendung der eingebauten Backup-Routinen. Beide Details sind aber spezifisch für unsere Server (Debian Linux) und Sicherheitseinstellungen und waren mit überschaubarem Aufwand zu lösen.

Open-Source Projekte sind zwar kostenlos, aber auch die Open-Source Entwickler wollen leben. Das übliche Geschäftsmodell in der Open-Source-Community sieht vor, dass zwar die Software kostenlos ist, nicht aber deren Support. Bei Moodle ist das nicht anders. Man kann das Programm kostenlos installieren und, das nötige Wissen vorausgesetzt, auch sehr erfolgreich verwenden. Sobald jedoch Probleme auftreten, die man nicht trivial mit eigenem Wissen oder „Google“ lösen kann, investiert man viel eigene Zeit. Man muss daher sorgfältig abwägen, was mehr wert ist, die kommerzielle Supportqualität oder die eigene Zeit.

Man findet im Internet zu Moodle sehr viele Informationen. Es erstaunt allerdings immer wieder, wie wenig didaktische Mühe sich die Autoren der Dokumentation einer E-Learning-Plattform selbst machen, um den Einstieg in ihr „Produkt“ zu vereinfachen.

Die Internet-Anleitungen lassen eindeutig zwei Schwerpunkte erkennen. Zum einen wird immer wieder die Installation von Moodle beschrieben und zum anderen werden die Möglichkeiten von Moodle dargestellt. Leider wird hier – wie so oft bei komplexen Software-Projekten – immer wieder die Darstellung alle Möglichkeiten und aller Optionen in den Vordergrund gestellt, anstatt zunächst durch Erfahrung „gewichtet“ durch die richtige Auswahl von Methoden mit geringem Aufwand zu ersten Erfolgserlebnissen zu verhelfen.

Was meine ich mit „durch Erfahrung gewichtet“? Anstatt alle Optionen von Anfang an zu kennen, würde mich interessieren, wie ich rasch mit geringem Aufwand Lehrinhalte bereitstellen kann. Jeder Neuling auf diesem Gebiet wäre z. B. dankbar, einige lerntheoretische Anregungen zu bekommen, mit welcher E-Learning-Möglichkeit man welche Probleme am besten angehen kann.

Probleme beim Einstieg

Blendend-Learning erfordert mehr Aufwand, Wissen und Engagement als nur eine E-Learning-Plattform zu installieren und damit den Live-Unterricht zu ergänzen.

Es wurden beim Einstieg in diese Thematik folgende Probleme identifiziert:

  • Steile Lernkurve mit hoher Hemmschwelle durch unzureichende Einstiegshilfen
  • Fehlendes Wissen im Bezug auf den besten “Lehransatz”
  • Fehlende technische Infrastruktur (digitale Fotoapparate, Videokameras, Software, Rechner)
  • Fehlende elektronische Lehrinhalte

Pragmatisches Vorgehen

Wir haben uns bei der ersten Anwendung für folgende pragmatische Vorgehensweise entschieden:

Um rasch Inhalte zeitökonomisch nutzen zu können, wurden vorhandene Powerpoint-Präsentationen als Videos vertont. Wir verwenden dazu entweder das kostenlose Programm Wink (http://www.debugmode.com/wink/) oder das kommerzielle Pendant Camtasia (http://de.techsmith.com/camtasia.asp). Die einzelnen Powerpoint-Seiten werden in die Programme eingelesen und nachträglich durch den Autor vertont. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass man sich jede Folie in Ruhe betrachten kann, überlegen kann, was man dazu sagen möchte und anschließend diesen Text einfach in den Computer diktiert. Im Gegensatz zu Videos sind diese Audiodateien den jeweiligen Folien fest zu geordnet, so dass man später einzelne Seiten austauschen kann und den Text nur an dieser Stelle aktualisieren muss.

Um den Kollegen den Einstieg in diese Technik zu erleichtern, wurde ein Notebook mit der entsprechenden Software und einem Mikrofon ausgestatten. Nach einer kurzen Einweisung in die Grundfunktion konnten die Powerpoint-Folien rasch vertont werden.

Langfristig sollte diese bei uns derzeit noch mündliche Einweisung durch eine Videoeinweisung ersetzt werden (Zeitersparnis).

Als Lehrinhalte haben wir die zunächst Anleitungen für praktische Übungen gewählt, die für einige Semester verwendet werden können und nicht durch rasche Entwicklungen veralten. Die Teilnehmer können diese Anleitungen unbegrenzt anhören, um sicher zu stellen, alle Schritte verstanden zu haben.

Von Seiten der Tutoren wurden initial folgenden Bedenken geäußert:

Durch die Videodokumentation wird der einzelnen Aussage eines Referenten eine wesentlich höhere Bedeutung beigemessen. Man hatte als Tutor Angst davor, mit Aussagen konfrontiert zu werden, die möglicherweise nicht in allen Aspekten umfassend recherchiert waren und Anlass zu Kritik geben könnten. Zur Lösung dieses Problems kann man einen „internen Peer-Review“ Ansatz heranziehen. Nach der Fertigstellung und vor der Veröffentlichung kann das Ergebnis im Kollegenkreis diskutiert und noch verbessert werden.

Ein weiteres Problem wurde darin gesehen, dass man gelegentlich Grafiken aus Büchern eingescannt hatte und man Bedenken wegen der damit verbundenen Copyright-Problematik hatte. Die Lösung für dieses Problem sieht so aus, den Kurs zunächst nur für die begrenzte Teilnehmerzahl des Kurses zugängig zu machen und langfristig diese Inhalte zu ersetzen.

Bei der Präsentation muss unbedingt darauf geachtet werden, dass das fertige „Video“ navigierbar ist, d. h. der Student muss in der Lage sein, vor und zurück“spulen“ zu können. Am elegantesten war es, die Titel der Powerpoint-Folien als Sprungmarken zu verwenden. Bei Camtasia ist das beispielsweise die Voreinstellung.

Die Anwendung von Videos ist Dank schneller Rechner und guter Schnittprogramme verlockend einfach geworden. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass ein Videofilm ein lineares Medium ist und jeden Zuhörer zwingt mindestens die Zeit der Präsentationsdauer zu investieren. Es ist aber nicht für alle Lehrinhalte notwendig, ein Video zu verwenden. Meiner Meinung nach bieten sich Videos vor allem zur Visualisierung von komplexen Arbeitsschritten an, die auch gewisse handwerkliche Details vermitteln sollen oder müssen. Viele Aussagen kann man als Tabelle, Text, Schemazeichnung oder Foto gleichwertig oder besser vermitteln.

Nach Erfahrung des Autors muss man für eine Vertonung von Powerpoint-Folien den zwei- bis vierfachen Zeitaufwand der fertigen Präsentation investieren, sobald man Routine im Erstellen dieser Medien hat.

Für die Herstellung eines echten Videos sollte man mindestens die zehnfache Zeit der fertigen Spielzeit kalkulieren. Bei aufwendiger Bearbeitung ist sogar der zwanzigfache Zeitaufwand noch realistisch. Konkret muss man – entsprechende Routine vorausgesetzt – für eine Vorlesungsstunde als Video einen ganzen Arbeitstag an Vorbereitung investieren.

In unserem pragmatischen Ansatz haben wir zu dem Angebot der reinen Informationsvideos folgende Module ergänzt:

  • Feedback zum Wissenstand in Form von „Multiple Choice“ Fragen am Ende einer Videolektion.
  • Zur Erstellung eines Kursskriptes wurde nach dem Vorbild der Online-Enzyklopädie Wikipedia ein „Wiki“ ergänzt.
  • Zum Austausch von Nachrichten und zur Diskussion von Fragen wurde ein Diskussionsform installiert.
  • Zur Ankündigung von Kursinformationen wurde ein Nachrichtenforum mit Email-Versand eingerichtet.

Die Erfahrung beim Erstellen der Wissensüberprüfung zeigt uns beispielsweise, dass es gar nicht so trivial ist, gute Fragen zu formulieren.

Hilfreiche Anleitung findet sich aber beispielsweise im Internet (z. B. Uni Hannover).

Moodle bietet für die Abfrage von Wissen, z. B. mit Multiple Choice Fragen, umfangreiche Möglichkeiten. Neben der automatischen Auswertung der Antworten kann man auch Feedback zu richtigen und falschen Optionen ergänzen. Die Fragen können als Prüfung gestaltet werden und der Kursleiter kann automatisch umfassende Statistiken genieren, die ihm helfen, den Wissensstand zu überprüfen und zu verbessern.

Ein hilfreiches Werkzeug stellt das Word-Plugin von Vyatcheslav Yatskovsky (http://www.finemetronome.com/moodle/) dar, mit dem man sehr einfach und schnell Fragen in Word erstellen und für Moodle exportieren kann.

Lernen: die „höheren Weihen“.

Die vertonten Powerpoint-Präsentationen dienen der reinen Wissensvermittlung mit neuen und bekannten Medien. Deren Hauptvorteil ist die Möglichkeit, dass Studenten zu jeder Zeit lernen können und den Lehrinhalt, z. B. bei komplexen Themen oder zur Prüfungsvorbereitung, beliebig oft konsumieren können.

Der Entwickler von Moodle, Martin Dougiamas, hatte darüber hinausgehende Ideale und Vorstellungen, die auf der Dokumentationsseite von Moodle zusammengefasst werden (http://docs.moodle.org/en/Philosophy). Eine sehr schöne deutschsprachige Darstellung zu Lerntheorien können Sie beispielsweise hier nachlesen (http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/). Im Zusammenhang mit konkreten Tipps zum E-Teaching hat mir diese Seite sehr gut gefallen: http://www.e-teaching.org/ .

An der LMU München wird im Rahmen der Munich-Harvard-Alliance für die Medizinausbildung der problemorientierten Falldarstellung ein besonderer Stellenwert zur Aktivierung interdisziplinären Wissens beigemessen. Auch für die zahnmedizinische Ausbildung ist diese Form der Wissensvermittlung vorgesehen. Der Aufwand beim Erstellen guter Fallpräsentationen ist jedoch sehr hoch, so dass es sicher noch eine ganze Weile dauern wird, bis ausreichend Materials zur Verfügung steht. Die technischen Voraussetzungen sind vorhanden. E-Learning Plattformen wie Moodle erlauben diese Fallpräsentationen für Studenten zur Verfügung zu stellen. Im aktuellen universitären Umfeld wird dieser Aufwand allerdings nur durch Idealismus getragen, da der Zeitbedarf für diese Art der Lehre in den aktuellen Evaluationskriterien nicht berücksichtigt wird und mit den immer knapper werdenden Personalresourcen nicht routinemäßig zu leisten ist.

Fazit

E-Learning-Plattformen, wie Moodle stellen eine sehr gute Möglichkeit dar, E-Learning oder Blended-Learning in kurzer Zeit zu realisieren. Der interessierte Anwender innerhalb von 1 – 2 Stunden die ersten Inhalte generieren und bereitstellen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Dokumentation für den „Anfänger-Kursleiter“ verbessert wird und zwar hinsichtlich der konkreten Anwendung von Moodle UND hinsichtlich geeigneter Lehrverfahren.

Das Feedback der Studenten ist äußerst positiv, es macht als „Tutor“ Spaß, mit den neuen Formen der Lehrunterstützung zu experimentieren. Wenn man sich geschickt innerhalb eines Faches vernetzt, dann bleibt der zusätzliche Aufwand gemessen am Zusatznutzen „zeitneutral“. Es ist falsch, davon auszugehen, dass man mit Blended-Learning Zeit einsparen kann. Ohne Mitverwendung von Fremdinhalten benötigt man bis zu fünfmal mehr Zeit pro Unterrichtseinheit als bei traditionellen Lehrmethoden. Würde man diese Zeit in die traditionellen Methoden (Vorlesung, Seminar, praktische Übungen) investieren, wäre sicher auch hier ein positives Feedback von Studenten zu erwarten. Leider ist dies jedoch im gegenwärtigen politischen Klima nicht realisierbar.

Posted by System Administrator - 17.05.2007